
Wir wollten schon immer den Ort der Wiedergeburt von Bugatti besuchen. Wie man sich vorstellen kann, war es für uns nach dem Kauf eines Bugatti EB112 die logischste Entscheidung, das Auto an den Ort zurückzubringen, an dem es entstand. So machten wir uns mit der V12-Saugmotor-Limousine, einem EB110 GT, einem Chiron und einem Type 13 Brescia auf den Weg nach Italien, genau gesagt, nach Campogalliano. Bugatti hatte seinen Sitz nicht immer in Molsheim. Wir geben Ihnen gerne dazu ein wenig Geschichtsunterricht:
Bugatti wurde 1909 von Ettore Bugatti, ein in Italien geborener Industriemechaniker, in der damals deutschen Stadt Molsheim gegründet. Die Marke baute einige der erfolgreichsten Rennautos, wie den Type 35, sowie Sportautos und Luxusfahrzeuge. Es war die Marke aller Superlativen, die die technisch fortschrittlichsten, schnellsten und teuersten Autos, die die Welt jemals gesehen hatte, herstellte. Die Marke glänzte nicht nur durch ihr technisches Können: Die Fahrzeuge waren echte Kunstwerke. Leider erlebte Bugatti einige finanzielle Schwierigkeiten und das letzte Auto wurde 1956 produziert, bevor das Unternehmen Insolvenz anmeldeten musste. Die Marke geriet in Vergessenheit, bis ein Mann mit einer Vision daran arbeitete, sie wiederzubeleben. Romano Artioli, ein italienischer Unternehmer mit einer tiefen Leidenschaft für Bugatti, wurde von keinem anderen als Ferruccio Lamborghini dazu ermutigt, der Marke eine zweite Chance zu geben.
Das neue Werk sollte in La Terra dei Motori, wie die Italiener es nennen, dem Tal der Motoren, aufgebaut werden. Ein Stück Land, das von den größten Sportwagenherstellern geteilt wird: Ferrari, Lamborghini, Maserati und De-Tomaso. Das Werk wurde von Giampaolo Benedini entworfen, mit Gebäuden für Konstruktion, Produktion und sogar Prüfungen. Es verdiente sich den Namen La Fabbrica Blu und lag an der Autobahn, in der Stadt Campogalliano. Bugatti Automobili S.p.A. handelte von 1987 bis zur Insolvenz 1995. Die Gründe, aus denen das Unternehmen nicht überlebte, sind ungeklärt, doch jeder stimmt einer Tatsache zu: Bugatti kennzeichnete die Welt der Superautos und sorgte für einige der besten Fahrzeuge der 90er. Die Geschichten der Frauen und Männer hinter der Wiedergeburt von Bugatti sind absolut faszinierend und wir wollten sie unbedingt erforschen.
Als wir in Campogalliano ankommen, begeben wir uns sofort zum Werk. An dessen Toren werden wir von Enrico Pavesi begrüßt. Gemeinsam mit seinem Vater Ezio kümmert er sich seit Jahren um das „verlassene“ Werk. Als sich die Tore öffnen, bekommen wir ganz plötzlich Gänsehaut! Kein Mensch ist in Sicht, die Vegetation übernimmt die Gebäude und blockiert die Türen, Eimer fangen Wassertropfen von der Decke auf… Was einmal das Zuhause einiger der talentiertesten italienischen Konstrukteure und Designer war, befindet sich in traurigem Zustand. Jedes Element, jede Tür, jede Wand hat eine Geschichte zu erzählen. Am Eingang der damaligen Kantine findet man eine Holztür aus dem ursprünglichen Bugatti-Werk in Molsheim. Oben hängen Bilder von Designstudien und Prototypen an den Wänden. Im Bürogebäude befindet sich die Rezeption mit mehreren Telefonen, alten Computern und Tastaturen und sogar ein Kalender aus dem Jahr 1993. Die Zeit in Campogalliano ist stehengeblieben.

Doch der Grund, aus dem wir herkamen, waren nicht das Gebäude oder die Autos, sondern eher die Menschen. Die Legenden hinter der Marke und die Menschen, die erlebten, wie sie zur ernstzunehmenden Konkurrenz aufblühte… Wir bekamen die Gelegenheit, einige der Hauptprotagonisten kennenzulernen und zu interviewen: Giampaolo Benedini und Fernando Gabellini. Giampaolo Benedini war nicht nur der Architekt der ikonischen Bugatti-Gebäude, sondern auch der Vater des EB110-Designs, eines der zwei Fahrzeugmodelle, die das Unternehmen baute. Fernando Gabellini war der leitende Elektroingenieur und überwachte die elektronische Seite des EB112-Projektes. Wir bekamen auch die Perspektive der Kompetenz zu hören: Valentino Balboni, der legendäre Testfahrer des Rivalen Lamborghini, besuchte uns in Campogalliano. Er hatte hohe Achtung vor den Bugattis und wies sogar auf ihre Überlegenheit im Vergleich zu den damaligen Fahrzeugen von Lamborghini hin.
Glücklicherweise begleiteten uns talentierte Kameramänner und eine großartige Filmcrew und deshalb können unser gesamter Besuch sowie die Aussagen und Interviews in unserem 30-minütigen Dokumentationsfilm Aceto Blu auf YouTube nacherlebt werden.

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